Fit und munter kehrt Nati-Captain Lia Wälti zurück und greift am Mittwochabend, 19. April 2023 mit Arsenal wieder aktiv ins Fussballgeschehen ein. Zwölf Tage ist es her, seit die 30-Jährige nach dem Testspiel gegen China auf den sozialen Medien eine kurze persönliche Auszeit verkündete. Und genau dort zeigte sie sich am Montag erstmals wieder strahlend im Training.
Viele und wichtige Partien
Am Ursprung der Auszeit seien einerseits persönliche Gründe gewesen, die ihr über längere Zeit viel abverlangt hätten, begründete Wälti. «Unter diesen Umständen mein ‘normales Level’ jeden Tag hervorzubringen, ist eine riesige Herausforderung gewesen.»
Genau das fordert der strikte Spielplan im Profifussball: Eine tägliche Höchstleistung. Wältis Club Arsenal bestreitet an diesem Mittwochabend das fünfzehnte Spiel im Jahr 2023, die Langnauerin stand davon lediglich viermal verletzungsbedingt nicht zur Verfügung. Alleine im März waren es sechs Spiele, im Mai werden es erneut sechs sein. Kurz gesagt: Es gibt einige «englische Wochen» mit drei Spielen innert sieben Tagen.
Der Spielplan ist physisch wie auch psychisch herausfordernd, denn es geht bei Wälti um den Liga- sowie Champions-League-Titel – den WSL-Cup gewann Arsenal bereits im März – und mit dem Nationalteam steht im Sommer das Highlight Weltmeisterschaft an.

Jede Athletin reagiert anders, wenn ein solches Pensum verlangt wird. Wältis Nati- und Clubkollegin Noelle Maritz fühlt sich ohne längere Pause wohl: «Ich fühle mich gut, aber jeder Mensch ist anders.» Nichtsdestotrotz sei jedes Spiel eine Drucksituation, wie Maritz gegenüber «Blick» sagt.
24/7 Sport im Fernsehen
Eine Schlüsselspielerin der Schweizer Nati nimmt sich eine Auszeit. Dass diese Nachricht eine Diskussion entfacht und die (Über)Belastung im Spitzensport gründlich von allen Seiten beleuchtet wird, ist naheliegend – wieder einmal.
Zu viele Spiele und zu wenig Erholung lautet das Verdikt von Kritikern zu diesem Thema, sprich auch von den Spielerinnen und Spielern selbst. Eine hohe Spieldichte ist die Realität in einer grossen Bandbreite an Disziplinen, von Frauen- und Männerfussball über Handball bis hin zum Skizirkus. Dort wurden während diesem Winter über 90 Rennen ausgetragen.
Von einem straffen Wettkampfprogramm profitiert primär der Unterhaltungswert. Sport wird seit jeher von den Medien kommerziell vermarktet, womit er im Fernsehen als Unterhaltungsangebot dient. Für die TV-Anbieter gilt: Häufige und lange Sportübertragungen sind das Optimum, Live-Sport von früh bis spät spült am meisten Geld in die Kasse.
Mehr Wettbewerb als bessere Vorbereitung
Beim Fussball sieht die Spielervereinigung Fifpro in mehr Spielen einen Benefit für die Entwicklung, vor allem für die des Frauenfussballs. Ganz nach dem Motto «Übung macht den Meister», wie Sarah Gregorius, Fifpro-Direktorin Globale Politik und strategische Beziehungen, erklärt: «Um zu verhindern, dass sich die Lücke zwischen den besten Teams und dem Rest vergrössert, muss der Rest mehr Partien absolvieren.»
Das angesprochene Spielpensum wird durch internationale Wettbewerbe wie die Nations League, welche die UEFA ab dem kommenden Herbst 2023 etabliert, gesteigert. Mehr Spiele zu absolvieren, sei eine gute Vorbereitung und soll somit eine professionelle Entwicklung bei den Teams begünstigen. Auch die Women’s Champions League (UWCL) bietet eine Plattform für mehr Einsätze – jedoch sind dort lediglich die Besten dabei und der von Gregorius angesprochene «Rest» profitiert so nicht davon.
Tatsächlich scheint an Gregorius‘ These etwas dran zu sein: Von den fünf Nationen mit den meisten Spielerinnen in der UWCL landeten drei in den EM-Halbfinals 2022 (Deutschland, Schweden und England).
(goal.com)

Stetig hohes Verletzungsrisiko
Für die besten Teams wird die Situation durch das Plus an Matchs unweigerlich schwieriger. Die bei den Männern längst etablierte Nations League reiht sich neben Endrunden und deren Qualis sowie Vereinswettbewerben – bei Arsenals Lia Wälti sind es fünf – ein.
Um alle Veranstaltungen in einer Saison unterzubringen, müssen Pausen dran glauben. Das stösst auf Unverständnis: «Ich halte es für inakzeptabel, dass Spielerinnen, die an Welt- und Europameisterschaften teilnehmen, zwischen den Spielzeiten nur zwei Wochen Pause bekommen», sagt Chelsea-Trainerin Emma Hayes.
Die grösste Sorge liegt bei potenziellen Verletzungen, deren Risiko durch psychische und physische Dauerbelastung und erhöhtes Reiseaufkommen erheblich steigt. Als Beispiel: Fussballer wie Mohamed Salah (Ägypten) oder Sadio Mané (Senegal) hatten in der Saison 2021/22 – da waren beide bei Liverpool – durchschnittlich 90‘000 Reisekilometer in den Knochen und bestritten locker über 70 Spiele, inklusive Vorbereitung.
Laut «Sport1» fanden mehr als sechzig Prozent dieser Partien mit weniger als fünf Tagen Pause davor statt. Ähnlich traf es die Profis von Bayern München: Vom Saisonbeginn am 30. Juli 2022 kamen, mit Nationalmannschaftseinsätzen, maximal 26 Pflichtspiele in 15 Wochen zustande. Zwischen dem letzten Bundesligaspieltag und dem WM-Beginn in Katar lag eine Woche.

Kurze Pausen belasten auch Basketballer, Footballer, Beachvolleyballer – oder Handballer, die nur wenige Tage nach dem diesjährigen WM-Finale wieder im Vereinstrikot um Siege kämpften. Den frisch gebackenen dänischen Weltmeister Magnus Saugstrup erwischte es glatt mit einer Knieverletzung im ersten Spiel zurück beim SC Magdeburg.
(kicker.de)
Gleich sieht das Bild im Frauenfussball aus, wo sich die Auswirkungen unter anderem in Form vieler Verletzten zeigen. Kreuzbandrisse und 12-monatige Ausfälle sind keine Seltenheit.
Regeneration fördert Leistung
Unter der Ermüdung leiden Konzentration und das Verletzungsrisiko – es entsteht ein wahrer Kräfteverschleiss und schmälert die Leistung. «Wenn die Leute qualitativ hochwertigen Fussball sehen wollen, dann müssen wir auch auf die Gesundheit der Spieler achten», kritisiert PSG-Stürmer Kylian Mbappé die hohe Anzahl von Einsätzen.
Glasklar wird uns vor Augen geführt: Athletinnen und Athleten sind keine Roboter. In der Leistungsdiagnostik ist klar, dass genügend Regeneration und Erholung wichtig sind und die Leistung fördern. Das spüren die Spielerinnen im Frauenfussball selbst: «Es gibt einfach Momente, da sagt der Körper ‚Genug‘», erzählt Chelsea-Captain Magdalena Eriksson.
Die Schweizer National- und Barcelona-Spielerin Ana-Maria Crnogorčević beschreibt ebenfalls, dass «der Tank in gewissen Momenten leer» sei.
«Du willst 100 Prozent geben, aber es geht nicht.»
Ana-Maria Crnogorčević
Zu einem solchen Zeitpunkt, der durch unzählige Faktoren und subjektive Aspekte zustande kommt, kann eine Auszeit dringend nötig sein. Lia Wälti hat ihre Situation richtig erkannt und eine wichtige Pause eingelegt. Dabei ist sich Crnogorčević sicher: «Lia wird nicht die Erste und nicht die Letzte sein, der das passiert.»
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