Down Under ist bisweilen nicht das Mekka des Frauenfussballs. Die heimische Liga hat, ähnlich wie in der Schweiz, mehr eine Ausbildungsfunktion und viele Spielerinnen des Nationalkaders verdienen ihr Geld in den europäischen Topligen. Jetzt schlug die Weltmeisterschaft in Australien ein. Hier will der Frauenfussball und -sport anknüpfen. Es soll aufwärtsgehen.
Das Interesse kam erst spät
Aufgekommen ist der Frauenfussball in Australien bereits 1921, als ein Spiel über 10’000 Leute anzog. 1922 wurde untersucht, welcher Sport für Frauen geschaffen sei – Fussball wurde als «medizinisch ungeeignet» deklariert. Wie vielerorts ging es erst in den 1970er-Jahren wieder los.
Ein erstes australisches Nationalteam trat an den Asienmeisterschaften 1975 an. Im Anschluss setzten sich die Australierinnen allmählich in Ozeanien und auf der ganzen Welt durch. Sie überzeugen mit regelmässigen Olympia-, WM- und Asienmeisterschafts-Teilnahmen. Herausragend waren der Gewinn des AFC Women’s Nations Cup 2010 sowie die vierten Plätze an Olympia 2021 und an der WM 2023.
Um die Jahrtausendwende griffen die Spielerinnen zu aussergewöhnlichen Mitteln und posierten nackt für einen Kalender, um Aufmerksamkeit zu erlangen. In der Sportwelt hatte sich der Fussball gegen das spektakulärere und torreichere Aussie Rules Football durchzusetzen. Erst Olympia 2000 brachte den Frauenfussball der australischen Öffentlichkeit näher.


Aussie Rules Football: Ein australisches Spiel, das mehrheitlich Fans Down Under fasziniert. Dagegen kann der australische Fussball über Landesgrenzen hinaus begeistern.
Ein Auf und Ab im Ligabetrieb
Australien wird nur als «Fussballnation» betitelt, wenn seine Nationalteams gewinnen und Stolz aufkommt. Oder wenn Grössen wie Barcelona, Manchester United oder Liverpool das Land besuchen. Das Interesse bleibt aus, sobald es um die nationalen Männer- und Frauenligen geht. Da finden die Medien kaum Platz für eine Randnotiz.
Die Nati setzte in den letzten zwei Jahrzehnten gute Akzente, wobei die höchste Liga stets ein Mauerblümchendasein fristete. Seit 2008 besteht die A-League, eine erste Liga von 1996 scheiterte im Jahr 2004.
2022/23 besuchten durchschnittlich 1’249 Leute die A-League. 9’519 kamen zum grossen Final und einen Monat später wiederum nur 201 im Rahmen einer weiteren Partie. Der Minimumlohn liegt bei 25’000 Dollar.
Das Momentum nutzen
Der vierte Platz der Matildas ist das beste WM-Ergebnis im australischen Fussball, und die Nati setzte auf unterschiedliche Weise neue Massstäbe für den Sport. Die Matildas brachten den Frauensport auf den Plan, und jetzt gibt es kein Zurück mehr.

Es soll ein neues sportliches Ökosystem entstehen, im Fussball wie auch im gesamten australischen Frauensport. Weg von Standards, die gegenüber Mädchen implizieren: ‹Das ist nichts für dich›. Die Matildas haben geliefert. Das Momentum der Aufmerksamkeit ist nun da. Und das ist der richtige Zeitpunkt, jetzt muss gehandelt werden.
«Es ist einfach, jetzt, wo das Scheinwerferlicht auf uns ist. Aber was ist in einer Woche, einem Monat, einem Jahr? Was tun wir, um die Aufmerksamkeit und die Investitionen in den Frauenfussball zu erhalten?»
Tony Gustavsson, Trainer der Matildas
Das Vermächtnis sicherstellen
Der Ball liegt beim Sport- und Premierministerium sowie bei Politikern und Unternehmern, um ein Erbe sicherzustellen, das noch lange nach dem Ende der Begeisterung für die WM fortbesteht.
Eine 200 Millionen-Dollar-Investition wurde bereits angekündigt. Sie soll den Frauensport angemessen finanzieren. Infrastruktur und Breitensport stehen da weit oben auf der Liste. Ein Beispiel: Pro Saison kostet die Teilnahme in einer Akademie knapp 1’600 Euro.
Mit einem nationalen Plan soll es vorwärtsgehen. Das Volk wird von den Medien aktiv aufgefordert, noch heute Mitglied bei ihrem lokalen A-League-Club zu werden.

Nur durch das Aufwerten der heimischen Wettbewerbe kann in künftige Generationen investiert werden. Zwar werden die besten Fussballerinnen Australiens nicht dort bleiben und spielen. Sie gehen an einen Ort, wo der Fussball eine Religion ist. Und dennoch geht’s Down Under vorwärts: Der Sydney FC verkündet einen neuen Mitglieder-Höchstwert.
«Australien ein Fussballland? Glaub es lieber. Das Vermächtnis der Matildas? Unbestreitbar.»
Emily Keogh, Journalistin «90MIN»
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