SPOTLIGHT: Afrika-Cup 2023, ein Turnier ohne Datum

Seit zwei Jahren ist klar, dass der Afrika-Cup (Wafcon) in Marokko stattfindet. Seit einem halben Jahr ist klar, welche zwölf Teams um den Titel kämpfen. Jetzt ist ein Drittel des Turnierjahres um und von einem Spielplan fehlt jegliche Spur.

Frauenfussball wird zum Nebenschauplatz

Mit einer Prise Fassungslosigkeit müssen Afrikas Fussballerinnen die Spontanität ihres Kontinentalverbands CAF hinnehmen. Einem professionellen Turnier Platz im Kalender zu garantieren, scheint nicht selbstverständlich zu sein.

Man stelle sich das einmal für die EM vor: Die Schweiz organisiert ein Fussballfest für einen unbestimmten Tag. Da wären Meinungsverschiedenheiten um die Finanzierung ein zweitrangiges Problem.

Glücklicherweise gab die Uefa schon jetzt bekannt, dass vom 2. bis 27. Juli im nächsten Jahr die Europameisterschaft der Frauen stattfindet. Der Verband hat seine banalste Aufgabe erfüllt. Das «Wann?» ist geklärt und alle Beteiligten können sich dem «Wie?» widmen.

Das Gastgeberland kümmert sich um die Infrastruktur und die Sponsoren. Die qualifizierten Nationalverbände planen ihre Vorbereitung und arrangieren Testspiele. Dem afrikanischen Frauenfussball bleibt das verwehrt. Ohne Wafcon stehen manchen Teams zwölf Monate ohne Ernstkampf bevor.

Viel Interesse, kein Turnier

Wie kam es also zum datumslosen Wafcon? Die globalen Sportkalender werden Jahre im Voraus erstellt. Für den Sommer 2024 musste CAF lediglich auf die Olympischen Spiele (26. Juli bis 11. August) Rücksicht nehmen, denn Sambia und Nigeria qualifizierten sich dafür. Der afrikanische Verband beteuerte Anfang April gegenüber dem «Guardian», dass man eine «gewinnbringende Lösung» für alle suche. Ein klarer Grund für das Schlamassel wurde nicht genannt.

Diverse Stimmen aus den Lagern der Nationalteams zweifeln jedoch an der diesjährigen Durchführung. Immerhin spielen die Fussballerinnen für Vereine in der ganzen Welt. Und der Zeitplan einer Liga kollidiert sicher mit dem einer anderen. Da liegt der Afrika-Cup als spontaner Grossanlass nicht drin.

Der totale Turnierausfall wäre schmerzhaft für den afrikanischen Fussball. Denn dieser ist einem ausgesprochen grossen Aufschwung.

Da war Marokkos Männermannschaft, die an der WM 2022 mit dem vierten Platz für einen Paukenschlag sorgte. Anschliessend schauten sich zwei Milliarden Leute den Afrika-Cup 2023 der Männer an. Dasselbe Turnier bei den Frauen könnte an diesen Erfolg anknüpfen.

«Es wäre eine verpasste Chance, wenn der Kontinent mit einigen der besten Spielerinnen überhaupt nicht auf den Zug aufspringt, jetzt, wo die Welt alle Augen und Ohren für Frauenfussball offen hat», bringt es die kenianische Journalistin Julia Wawjeri auf den Punkt.

Afrika überrascht

Freilich zieht der Frauenfussball auch in Afrika die Massen an. Mehr als 45’000 Zuschauer kamen zum Halbfinal des letzten Afrika-Cups. Der Wafcon 2024 könnte dieses Interesse maximieren, und zwar im globalen Ausmass. Denn das Turnier liefert der ganzen Welt gute Gründe, dafür den Fernseher einzuschalten.

Der Kontinent ist gespickt mit Topspielerinnen. In Europa sind diese Namen wenig bekannt, da sie grösstenteils erst in China waren und nun in der amerikanischen Liga NWSL engagiert sind.

Die erste afrikanische Champions-League-Siegerin: Asisat Oshoala stürmte für Barcelona (101 Spiele/85 Tore) in fünf Jahren zu zwölf Titeln und war in Europa die bekannteste Afrikanerin. Seit 2024 spielt die Nigerianerin beim Bay FC (5 Spiele/1 Tor) in Amerika. (bbc.co.uk / GETTY)

Zehn Prozent aller Goals der laufenden NWSL-Saison wurden von Afrikanerinnen erzielt. Das sind zwölf Treffer. Aktuell spielen dreizehn Afrikanerinnen in den USA.

Zwei dieser Namen mischen auch den internationalen Transfermarkt auf. Sambias Racheal Kundananji wechselte für notabene 800’000 Euro von Real Madrid zum Bay FC – die 23-Jährige übertrumpfte die vorherige Rekordsumme von 500’000 Euro und ist seither die teuerste Fussballerin der Geschichte. Den zweiten Platz auf dieser Liste nimmt ihre Landsfrau Barbra Banda ein. Für 680’000 Euro kam sie von Shanghai Shengli nach Orlando.

Eine versäumte Gelegenheit

Mit der Affiche Afrika-Cup 2024 wird den Spielerinnen ein Erlebnis wie auch eine Entwicklungschance gestohlen. Sie spielen immer mehr bei den Grossen auf der Weltbühne mit und wollen diese Leistung aufrechterhalten. An der letztjährigen WM standen drei afrikanische Teams im Achtelfinal.

Die nigerianischen Super Falcons schieden an der WM 2023 erst nach Penaltyschiessen gegen den späteren Vize-Weltmeister England aus. (dailypost.ng)

Ohne Wafcon verpassen es die Spielerinnen aber, Erfahrungen im Turniermodus zu sammeln. Besonders an einer Endrunde, im Praxisfall sozusagen, könnten sie ihre mentale Stärke verbessern und lernen, wie man ein Turnier gewinnt.

Das US-Nationalteam beispielsweise konnte sich dieses Jahr bereits an zwei Wettbewerben wertvolle Routine aneignen. Dort verloren sie jeweils ihr Auftaktspiel, kämpften sich zurück und gewannen beide Turniere. Da stellt sich die Frage: Hätten Sambia und Nigeria vor der Olympiade mit dem Afrika-Cup ein weiteres Turnier bestritten, wie viel besser würden sie dann vorbereitet sein?

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