Da gibt es diese eine Sache, die schönste Nebensache der Welt: Fussball. Fussball, Tschutte, calcio, fútbol, voetbal, piłka nożna, Футбол. Das Ganze ist in zwei Subdomänen aufgeteilt, in Frauenfussball und in Männerfussball. Bis zu diesem Punkt ist sich die breite Allgemeinheit einig. Wie aber das Verhältnis zwischen besagten Unterkategorien auszusehen hat, da scheiden sich die Geister – insbesondere bei den Involvierten selbst.
Ein Blick auf die Strukturen des Sports zeigt verschiedene Bestrebungen. Auf dem europäischen Festland liegt im Trend, Frauen und Männer beim nationalen Verband unter ein Dach zu bringen. Derweil zeichnet sich auf der britischen Insel eine Gegenströmung dazu ab. Ganz anders sieht es am anderen Ufer des Atlantiks aus, wo eine geschlechterübergreifende Partnerschaftskultur zwischen Vereinen dominiert.
Gemeinsame Sache auf Vereinsebene
Wir starten vor unserer Haustüre: In der Schweiz ist die überwiegende Mehrheit der AWSL-Teams (Axa Women’s Super League) an einen Männerclub aus der Super League angegliedert, Juniorinnenabteilung inklusive. Bloss das Frauenteam Thun Berner-Oberland tanz aus der Reihe: Ihre Herrenmannschaft spielt in der 4. Liga.
Selbstverständlich schwingt dabei eine Prise Geschichte mit. Seit den 1960er-Jahren, als der Frauenfussball nachhaltig Fuss fassen konnte, entstanden international Frauenteams. Es waren Frauen aus der Region, die sich aus Freude an diesem Sport zusammentaten. Erfolg, Grösse und Gründungsjahr dieser Equipen variierten enorm. Dennoch verbindet sie ein Element: Über die Saisons hinweg schlossen sich viele mit den «grossen» Vereinen zusammen, deren Aushängeschild die traditionsreichen Männerprofis waren.
So sieht der Weg der meisten europäischen Frauenteams aus. Vereine wie Barcelona, Wolfsburg, Lyon, Chelsea und Basel integrierten und etablierten ihre eigene Frauenabteilung nach der Jahrtausendwende.

Auffallend sind Spätzünder, unter denen sich auch äusserst namhafte Clubs tummeln: Juventus Turin (2017), AS Roma (2018), Manchester United (2018) und Real Madrid (2020) sind Neulinge in den jeweiligen höchsten Landesligen.

Als Teil einer bestehenden Institution im Milliardengeschäft Fussball profitieren Frauenteams von diversen Mitteln wie Finanzen oder Infrastruktur – wenn sie wahrgenommen und gewichtet werden. Gleichzeitig mischen jedoch auch reine Frauenvereine wie der schwedische FC Rosengård oder der deutsche 1. FFC Turbine Potsdam bei den Profis mit. Oder Clubs wie Dijon (FRA) und Kolbotn (NOR), wo die Frauen das Aushängeschild sind und die Männer niederklassig spielen.
«Sky is the limit»
Egal ob alleine oder gemeinsam, die Fussballligen sind geschlechterübergreifend unter demselben Verbandsdach angesiedelt. Demnach kümmern sich die nationalen Verbände um alle Männer- und viele Frauenspielbetriebe. Aber nicht überall.
Die englische Women’s Super League (WSL) trennte sich vom nationalen Verband FA. Seit dem Sommer betreibt ein neues, eigenständiges Unternehmen die Frauenliga, an dem alle 23 Erst- und Zweitligisten Anteile halten.
Der Gedanke dahinter war weiteres Wachstum im ohnehin schon boomenden Königreich. Die Women’s Professional Leagues Limited (WPLL) will dieses Momentum ausnutzen, indem sie die Marketing-, Medien- und Investmentarbeit der WSL direkt kontrolliert. Immerhin sind die WPLL-Gesandten näher am Geschehen als die auf die Premier League fokussierte FA.

Erste Gehversuche wagt der unabhängige Ligaverband mit Stützrädern. Er ist auf die Premier League angewiesen, die ein zinsfreies Darlehen von 20 Millionen Pfund gewährt. Die ersten Schritte sind getan: Der alte Ligasponsor «Barclays» führt sein Engagement fort. Dank des Dreijahresdeals stehen bis zu 45 Millionen Pfund in Aussicht.
Das Projekt läuft also an, kann aber noch straucheln. Die WPLL läuft Gefahr, den Profibetrieb unverhältnismässig zu priorisieren. In England wird befürchtet, dass irgendwann ein Loch zwischen den oberen und den niedrigeren Ligen klafft.
Nichtsdestotrotz bleibt die Chance für den Frauenfussball, sich aus den Kinderschuhen zu befreien und erwachsen zu werden. Vielleicht kehrt er in einigen Jahren zur FA zurück, um die Kräfte zu bündeln. Diesmal allerdings als etablierter Akteur.
Synergien bündeln
In diesem Punkt ist England kein Novum. In Spanien organisiert seit 2022 ein unabhängiges Organ das Fussballerinnenwesen. Doch Altmeister in diesem Metier ist wenig überraschend Amerika.
Seit ihrer Geburtsstunde im Jahr 2012 ist die National Women’s Super League (NWSL) autonom geführt. Seit der Saison 2021 hat sie ihre eigene Führungsstruktur und passgenaue Spielerinnenrechte. Viele ihrer Teams wurden – unter anderem als Franchises – extra für die Ligagründung ins Leben gerufen.

Dank dieses Franchise-Systems stehen im Tableau der NWSL alles Namen, hinter denen Frauenteams stehen. Nur Frauenteams. Keine höher- oder niedrigklassierte Männermannschaft, sondern Frauenequipen. Das sind einerseits Frauenvereine, die für sich selbst stehen und eigene Investoren haben. Andererseits hat es Frauenteams, die ebenfalls unabhängig sind, aber entweder eine enge Beziehung zu einem Major-League-Soccer-Verein (MLS) pflegen oder einem solchen direkt angehören.
Die Frauenabteilung von Houston Dynamo heisst dann aber nicht Houston Dynamo Women, sondern Houston Dash. Oder: Die Portland Timbers sind das männliche Pendant zu den Portland Thorns, zu Orlando City SC gehört Orlando Pride. Dieser kleine, aber feine Unterschied wird zum Gamechanger in den Staaten.
In einem Land, wo das Frauenfussballbusiness sehr viel grösser als das der Männer ist, bauten sich die weiblichen Teams so eigene Marken auf und schufen eigene Identitäten. Die NWSL hebt durch ihre Selbstständigkeit die Franchises bis heute weiter hervor und etabliert den Frauenfussball in den USA. Die Unabhängigkeit hat sich augenscheinlich ausbezahlt.
sehr interessanter Beitrag. Man könnte noch differenzierter hinschauen, wo die Ligen die Frauen zum Anschluss an Männervereine zwang und wo nicht. Aber das wäre ein Blog für sich.
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merci & toller Input!
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